Auch Landkreistagspräsident Dr. Brötel appelliert an die Bürgerinnen und Bürger: „Unterstützen Sie die dringend erforderlichen Reformen!“
Der Landkreistag begrüßt ausdrücklich den offenen Brief an die Bürgerinnen und Bürger im Land, den Gemeindetagspräsident Steffen Jäger zum Tag der Deutschen Einheit veröffentlicht hat. Dort wird die dramatische finanzielle Lage der Kommunen realistisch beschrieben und es werden zu Recht mutige Reformen sowie ein gesamtgesellschaftlicher Haltungswechsel eingefordert. Der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Landrat Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis), der zugleich Präsident des Deutschen Landkreistags ist, äußert sich dazu wie folgt:
„Als Landkreise teilen wir ganz ausdrücklich die tiefe Sorge, die in dem Brief von Gemeindetagspräsident Steffen Jäger zum Ausdruck kommt. Denn die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind in der Tat gewaltig.
Da sind zum einen die geopolitischen und weltwirtschaftlichen Verwerfungen: die offenen und versteckten Kriege rund um den Globus und bis vor unsere Haustür, eine in ihren Grundfesten erschütterte Weltwirtschaftsordnung, die massive Erschütterung unseres bundesdeutschen Geschäftsmodells basierend auf hohen Exportquoten und niedrigen Energiepreisen.
Und da sind zum anderen und sich verschärfend vor allem auch die Langzeitherausforderungen, die dadurch nicht kleiner werden, dass sie durch Akutkrisen immer wieder ein Stück weit verdrängt werden. Ich nenne hier nur die drei großen D: die unerbittliche Demografie, die unser System sozialer Sicherung schon heute vor gewaltige Herausforderungen stellt, die Dekarbonisierung, also die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energiequellen, deren Dringlichkeit die Temperaturrekorde dieses Sommers nochmals eindrücklich bestätigt haben, schließlich das dritte große D, die Digitalisierung, bei der wir in Deutschland gegenüber anderen europäischen Ländern deutlich ins Hintertreffen geraten.
Und als ob dies alles nicht genug wäre, stecken die Kommunen aktuell in einer Finanzkrise von noch nie dagewesenem Umfang. Den Landkreisen, Städten und Gemeinden droht in diesem Jahr ein bundesweites Defizit von mehr als 30 Milliarden Euro. Neun von zehn Landkreisen in Baden-Württemberg können ihre Aufwendungen nicht mehr aus laufenden Erträgen bezahlen. Die Kommunalfinanzen befinden sich also ganz offensichtlich im freien Fall.
Die bittere Folge ist: Die Kommunen verlieren zusehends ihre Handlungsfähigkeit, die kommunale Daseinsvorsorge gerät immer mehr unter Druck. Und: Das, was wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte unseres Landes ist, die kommunale Selbstverwaltung, droht wegzurutschen.
Vor diesem Hintergrund teilen wir Landkreise ausdrücklich die Einschätzung, dass es rasch grundlegender Reformen bedarf, um diese vielfältigen Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können. Dazu gehört der konsequente, systematische Abbau überzogener Standards und überbordender Bürokratie ebenso wie eine mutige, kluge Neuausrichtung des Sozialstaats in Richtung Zukunftsfestigkeit. Diese Reformen sind überfällig – und sie müssen vor allem auch schnell umgesetzt werden. Die Demokratie wird nämlich immer vor Ort gewonnen, vielleicht aber eben auch vor Ort verspielt.
Zugleich wollen auch wir sehr deutlich machen, dass die anstehenden strukturellen Reformen uns allen etwas abverlangen werden. Dies wird schon angesichts der Größe der Herausforderungen gar nicht anders möglich sein. Und natürlich wird es dabei teilweise auch zu Veränderungen kommen müssen, die zu akzeptieren nicht leichtfallen wird. Darauf müssen wir uns alle gemeinsam einstellen.
Daher appellieren und setzen auch wir als Landkreise auf den Realitätssinn, die staatsbürgerliche Haltung und das Verantwortungsgefühl aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes:
Unterstützen Sie die erforderlichen, weil zukunftssichernden Reformprozesse. Beteiligen Sie sich als Demokratinnen und Demokraten konstruktiv an den Diskussionen um die richtige Ausgestaltung der zwingend erforderlichen Reformen. Und tragen Sie die demokratisch getroffenen Entscheidungen solidarisch mit.
Lassen Sie uns alle zusammen die Erfolgsgeschichte Deutschlands auch in diesen schwierigen Zeiten fortschreiben. Deutschland ist ein starkes Land und es kann stark bleiben, wenn wir uns alle gemeinsam darum bemühen und uns dafür einsetzen. Denn genau das ist Demokratie – die Kraft der Vielen.“